Der Hype um Kältetherapien
In den letzten Jahren hat sich die Kältetherapie als Trend etabliert, der immer mehr Anhänger findet. Besonders auf Social Media verbreitet sich die Begeisterung über Methoden wie Eisbaden und Kältetherapien, die von vielen als heilend und leistungssteigernd angepriesen werden.
Ob im Fitnessstudio, in Wellness-Oasen oder in den eigenen vier Wänden beziehungsweise Wannen – immer mehr Menschen versuchen, durch kalte Anwendungen ihre körperliche und mentale Gesundheit zu fördern. Besonders Sportler:innen schwören auf den positiven Effekt der Kältetherapie zur Regeneration. Doch der Hype birgt auch Gefahren, die nicht jeder kennt. Forscher:innen warnen vor einem übertriebenen und unüberlegten Einsatz.
Doch worauf sollte man achten und wann ist eine Kältebehandlung sogar kontraproduktiv? Wir haben bei dem Molekularbiologen Dr. Slaven Stekovic nachgefragt.
Eisbaden und Kältekammer: Kältetherapie in der Praxis
Zwei der beliebtesten Methoden der Kältetherapie sind das Eisbaden und der Besuch einer Kältekammer. Beim Eisbaden taucht der Körper für eine kurze Zeit in eisiges Wasser (typischerweise zwischen 0 und 10 Grad Celsius), was als wohltuend für Muskeln und Gelenke angesehen wird. Auch die psychische Komponente spielt eine wichtige Rolle: Viele Menschen gehen in Gruppen zum Eisbaden, was das soziale Miteinander stärkt und das Gemeinschaftsgefühl fördert. Zudem entsteht ein besonderer mentaler Effekt durch die bewusste Wahrnehmung des eiskalten Wassers – wer sich der extremen Kälte stellt und sie überwindet, empfindet oft Stolz und ein gesteigertes Selbstbewusstsein.
Die Kältekammer hingegen ist eine speziell entwickelte Kammer, in der extrem kalte Temperaturen von bis zu -120 Grad Celsius herrschen. Sie umgibt den Körper mit eisiger Luft und wird vor allem zur Förderung der körperlichen Regeneration eingesetzt.
Dr. Slaven Stekovic, Molekularbiologe und Bestsellerautor, erklärt dazu: „Bei dieser Therapie kann man bereits über längere Zeiträume eine kontinuierliche Senkung von Entzündungsparametern beobachten. Dadurch verringert sich das Risiko von Erkrankungen, die mit Entzündungen zusammenhängen.“ Zusätzlich führt die plötzliche Kälte zu einer intensiven Durchblutungsförderung, wodurch Muskeln und Gelenke besser mit Nährstoffen versorgt werden und sich schneller regenerieren können.
Beide Methoden versprechen also eine Vielzahl von gesundheitlichen Benefits, wie die Reduzierung von Muskelverspannungen, die Linderung von Entzündungen und eine Stärkung des Immunsystems. Wellness-Lieberhaber:innen und auch Athlet:innen nutzen diese zwei Therapieformen deshalb sehr gerne, um ihre Leistungsfähigkeit zu steigern und schneller von intensiven Trainingseinheiten zu regenerieren.
Unterschiede der Kältetherapien: Eisbaden vs. Kältekammer
Obwohl beide Kältetherapien auf ähnliche Prinzipien setzen, gibt es grundlegende Unterschiede zwischen Eisbaden und der Kältekammer. Beim Eisbaden wird der gesamte Körper in kaltes Wasser getaucht, wodurch eine direkte und gleichmäßige Abkühlung der Haut und Muskeln erfolgt. Die Wirkung ist unmittelbar spürbar, wobei das kalte Wasser die Blutzirkulation anregt und Entzündungen hemmen soll.
Die Kältekammer hingegen umgibt den Körper mit extrem kalter Luft, was zu einer flächigen und weniger direkten Kühlung führt. Die Kältekammer ist weniger intensiv, aber dafür länger anhaltend. Beide Methoden haben ihre Vor- und Nachteile, wobei die Wahl von individuellen Bedürfnissen und Zielen abhängt.
Mehr dazu: Kältekammer vs. Eisbaden – was ist besser?
Wann Kältetherapien auch negativ wirken können
Trotz der vielen positiven Effekte, die Kältetherapien laut zahlreicher Studien mit sich bringen, gibt es auch Situationen, in denen diese Methoden negative Auswirkungen haben können. Insbesondere nach intensivem Krafttraining kann Kältetherapie kontraproduktiv sein.
Der Grund ist folgender: In bestimmten Phasen des Trainings sind Entzündungsprozesse gewünscht. So erklärt Stekovic: „Man muss differenzieren, wann solche Maßnahmen sinnvoll sind. Zum Beispiel, wenn ich heute Muskelaufbautraining gemacht habe und dadurch Entzündungen in meinen Muskeln entstehen, ist eine Kältetherapie in den Stunden nach dem Training kontraproduktiv, da diese Entzündung zur Aktivierung und zum Wiederaufbau der Muskeln benötigt wird.“
Warum Kältetherapie nach dem Krafttraining ein Fehler ist
Die negativen Auswirkungen von Kältetherapien im Zusammenhang mit Krafttraining liegen auf der Hand. Entzündungen sind ein natürlicher Bestandteil des Muskelaufbaus. Sie signalisieren dem Körper, dass er sich reparieren und die Muskulatur verstärken muss.
Wird der Entzündungsprozess jedoch durch Kältetherapie direkt nach dem Training unterdrückt, kann dies die Regeneration und den Muskelaufbau negativ beeinflussen. Dr. Stekovic weist darauf hin: „Das bedeutet, dass Eisbaden oder Kältetherapie nicht direkt vor oder nach dem Krafttraining angewendet werden sollten. Stattdessen ist Sauna nach dem Training deutlich effektiver als Kältetherapie oder kalte Duschen.“ Die Wärme der Sauna sorgt für eine bessere Durchblutung und fördert den Heilungsprozess der Muskeln auf natürliche Weise.
Kältekammer und Eisbaden mit Bedacht einsetzen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Kältetherapien viele Vorteile bieten können, wenn sie gezielt und mit Bedacht eingesetzt werden. Der Hype um diese Methode ist sicherlich gerechtfertigt, da sie bei der richtigen Anwendung zur Regeneration beitragen und Entzündungen lindern kann.
Doch gerade bei intensiven körperlichen Aktivitäten wie dem Krafttraining ist Vorsicht geboten: Eine zu frühe oder zu späte Anwendung der Kältetherapie kann den gewünschten Effekt der Muskelregeneration verhindern und den Körper eher belasten als entlasten. Dr. Stekovic empfiehlt daher, auf den richtigen Zeitpunkt und die richtigen Bedingungen zu achten, um das volle Potenzial der Kältetherapie auszuschöpfen, ohne die natürlichen Heilungsprozesse zu stören.
Worauf du beim Eisbaden achten solltest, erfährst du hier: Auf Eis gelegt: Lieber auf Eisbaden verzichten?