Schlafen statt Sightseeing: Was steckt hinter dem Reisetrend „Sleep Tourism“?

Schlaftourismus im Trend 2025

Früher reisten wir, um Neues zu entdecken – fremde Kulturen, exotische Speisen, spannende Menschen. Heute reisen wir, um … zu schlafen? Ja, richtig gelesen. „Sleep Tourism“ heißt der neueste Trend am Reisemarkt, der uns nicht mit Erlebnisgarantie, sondern mit Tiefschlaf lockt. Statt Paragliding am Morgen und Streetfood am Abend heißt es: Einschlafen mit Klangschalen und durchschlafen mit Aromatherapie.

Der Ursprung des Schlaf-Hypes

Die Pandemie hat vieles verändert. Während der Lockdowns wurden Wohnzimmer zu Yogastudios, Küchen zu Cafés und Schlafzimmer zu Zufluchtsorten. Der Wert von Ruhe und Selbstfürsorge stieg rapide. Dabei rückte auch der Schlaf – einst unterschätzter Teil des Alltags – ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Kein Wunder also, dass clevere Marketingabteilungen begannen, Schlaf nicht nur als Grundbedürfnis, sondern als Erlebnis zu inszenieren.

Zahlen bestätigen den Trend: Laut einer europaweiten Umfrage leiden 6 von 10 Europäer:innen an Einschlaf- oder Durchschlafstörungen. Gleichzeitig gaben in einer Hilton-Umfrage die meisten Reisenden an, im Urlaub vor allem „ausruhen und auftanken“ zu wollen. Und so wurde aus dem Bedürfnis nach Erholung eine neue Urlaubskategorie geboren – mit eigenem Namen, eigenem Angebot und eigenem Preisschild.

Schlafen als Luxus – mit Schokoladentäfelchen

Wer jetzt denkt, es ginge nur um ein bequemes Bett, irrt. Sleep Tourism ist ein orchestriertes Erlebnis. Hotels wie das Conrad in Bali bieten „Sway Sleep Therapy“ – eine Stunde sanftes Schaukeln in einer Kokon-Hängematte, begleitet von beruhigenden Klängen. In Arizona gibt’s das „Soak & Slumber“-Paket mit Thermalquellen, Schlaftee und Kupferarmband. Und im Four Seasons auf Koh Samui wird vor dem Zubettgehen eine Lavamuschel-Massage unter Sternenhimmel angeboten – inklusive Klangschalen und Bad in Kokosmilch.

Natürlich darf das Schlaf-Kit nicht fehlen: Augenmaske, Duftkissen, Anti-Schnarch-Tees, Schokolade für süße Träume. Wer dabei nicht einschläft, ist entweder koffeinsensibel oder immun gegen Hypnose durch Marketing.

@desertpaddleboards This isn’t just relaxation – it’s a transformational experience. 🌊✨ Our luxurious Floating Soundbath at JW Marriott Desert Ridge is the ultimate way to kick off your 2024. But with only 20 spots per class, you MUST act fast! ✅ February dates are filling up NOW. ✅ Perfect for relaxation, self-care, and resetting your mind. 🔥 Don’t miss out on the most peaceful event of the year – because when it’s full, it’s FULL. ➡️ check out desertpaddleboards.com to book your spot before someone else takes it. Feb 3rd & 18th ##SleepTourism##NatureTherapy#Wellness##Meditation##Yoga##SOUNDBATH##reiki##Yoga##FloatingSoundbath##LuxuryWellness##RelaxIn2024 ♬ Softly – Claudio Constantini

Was steckt wirklich dahinter?

Der Schlaf als Urlaubsziel – das klingt originell. Aber wie viel ist dran? Und wie viel ist einfach nur schick verpackter Lifestyle?

Zunächst: Die Idee, sich im Urlaub zu erholen, ist nicht neu. Wellness-Hotels, Ayurveda-Retreats und Klosteraufenthalte gibt es seit Jahrzehnten. Der Unterschied: Früher ging es um körperliche oder geistige Regeneration – heute ist es der REM-Schlaf, der auf die Bucket-List soll. Dabei ist Schlaf keine Trophäe, die man sich mit 500-Euro-Nächten verdient.

Was viele Anbieter verschweigen: Schlafprobleme sind komplex. Sie entstehen durch Stress, Lebensstil, hormonelle Schwankungen oder psychische Belastungen. Ein Magnesiumbad oder eine Memory-Foam-Matratze können zwar das Einschlafen erleichtern, aber keine Schlafstörung heilen. Der kurzfristige Schlafgenuss während eines Urlaubs ersetzt keine Schlafhygiene daheim.

Die Illusion der Erholung

Hier beginnt die Krux des Sleep Tourism: Er verkauft kurzfristige Erholung als Lösung für langfristige Probleme. Der Erschöpfte bucht ein Wochenende im Schlaf-Retreat – nur um nach der Rückkehr festzustellen, dass der Stress im Büro, das Baby zu Hause oder die nächtlichen Grübeleien geblieben sind.

Hinzu kommt: Wer wirklich Schlafprobleme hat, schläft oft gerade nicht gut an fremden Orten. Neues Bett, fremde Geräusche, andere Zeitzone – das „First-Night-Effect“ genannte Phänomen verhindert bei vielen Menschen, dass sie in fremder Umgebung überhaupt in den Tiefschlaf finden. Schlaf als Reisegrund? Für manche ein Widerspruch in sich.

So gelingt dir ein DIY-Schlafurlaub

Die Artikel, die DIY-Schlafurlaub anpreisen, machen Hoffnung: Wer kein Geld für Luxusresorts hat, könne sich mit Duftkerzen, schwarzem Tee und digitalem Detox selbst zur Ruhe betten. Zugegeben: Eine Auszeit zu Hause kann wohltuend sein – wenn man sie bewusst plant und sich Freiraum schafft.

Aber auch hier droht die Gefahr des Trugschlusses: Der Glaube, man könne mit einem „Sleep Staycation“ mal eben ein Leben voller Schlafmangel ausbalancieren. Schlaf ist kein Konto, das man durch ein Wochenende Spa wieder ausgleicht. Wer wirklich erholt sein will, muss seinen Lebensstil langfristig ändern – nicht nur seine Matratze.

@annaschottin Unwind with me🌙 #cozynightin #cozynights #cozynight #cozy #nighttimeroutine #nightroutine #gotobedwithme #calm #relaxing #fyp #foryou ♬ in my room – 👀

Marketingmärchen mit Lavendelduft

Sleep Tourism passt perfekt in unsere Zeit: eine Ära, in der Selbstoptimierung und Selfcare Hand in Hand gehen. Wir messen unsere Schritte, zählen unsere Atemzüge, tracken unseren Schlaf – und buchen bald vielleicht noch Schlaf-Retreats mit Influencer-Garantie.

Doch wir sollten wachsam bleiben – im wörtlichen wie übertragenen Sinne. Wo Wellness zur Ware wird, bleibt oft die Authentizität auf der Strecke. Es ist gut und richtig, sich Ruhe zu gönnen. Aber wir sollten nicht vergessen: Ein gesunder Schlaf beginnt mit echten Pausen, weniger Druck und vielleicht auch einem bewussten Umgang mit all den Trends, die uns angeblich „heilen“ sollen.

Guter Schlaf beginnt nicht im Hotelzimmer

Ob du dich nun für ein Schlafresort in Thailand oder für ein Wochenende ohne Bildschirm in deinem Schlafzimmer entscheidest: Sei ehrlich zu dir selbst. Was brauchst du wirklich – Schlaf, Stille oder vielleicht einfach nur mal einen Tag ohne Erwartungen?

Denn am Ende ist guter Schlaf keine Frage des Ortes, sondern der Haltung. Und die kann dir kein Hotel der Welt abnehmen.

Bildquellen

  • Sleep Tourism: iStockphoto.com / ljubaphoto

Empfohlene Artikel

Melde dich für unseren Newsletter an

Keine Sorge, wir spamen dich nicht zu ;) Du bekommst 1-mal jede 2 Wochen die beliebtesten Beiträge und Videos von uns.