Psychische Folgen: Kurioser Trend „Stealthing“

PaulBiryukov/ istock

Kein harmloser Sex-Trend

Unter dem sogenannten „Stealthing“ versteht man das heimliche Entfernen oder Beschädigen eines Kondoms während des Geschlechtsverkehrs, ohne Einverständnis der Sexpartner einzuholen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Handlung bemerkt wird oder nicht: Entscheidend ist, ob die Partnerin oder der Partner der Entfernung oder Beschädigung des Kondoms zugestimmt hat. Stealthing gilt in Österreich als Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung und ist strafbar. Dennoch zögern viele Betroffene, sich zu melden oder Anzeige zu erstatten, aus Angst, dass ihnen nicht geglaubt wird. Die psychische Belastung ist dabei sehr groß und Betroffene fühlen sich hilflos. Es kann vorkommen, dass sie während des Geschlechtsaktes gar nicht merken, was passiert ist, sondern erst im Nachhinein feststellen müssen, was überhaupt vorgefallen ist. Diese Situation kann Schamgefühle auslösen, die wiederum zu Hemmungen führen können, rechtliche Schritte gegen den Sexualpartner einzuleiten.

Gesundheitliche Risiken

Sex ohne Kondom birgt für Frauen das Risiko einer ungewollten Schwangerschaft und erleichtert die Übertragung sexuell übertragbarer Infektionen für beide Partner, unabhängig vom Geschlecht. Darüber hinaus kann Stealthing die psychische Gesundheit des getäuschten oder genötigten Partners beeinträchtigen. Betroffene beschreiben häufig Gefühle von Respektlosigkeit, Verwirrung, Wut und Verrat. Laut einer Studie des Social Science Research Network können die Auswirkungen von Stealthing langfristige körperliche, emotionale und psychische Traumata verursachen. Opfer von Stealthing sind anfällig für psychische Probleme wie geringes Selbstwertgefühl, Depressionen, Angstzustände und Selbststigmatisierung. Die Studie betrachtet Stealthing als eine Form sexueller Gewalt, insbesondere wenn die Partner vorher vereinbart haben, ein Kondom zu benutzen.

 

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Ist Stealthing in Österreich strafbar?

In Österreich bestand lange Zeit eine Gesetzeslücke in Bezug auf Stealthing. Laut Bundesministerium für Justiz ist Stealthing nach §205a StGB strafbar, wenn zuvor die Verwendung eines Kondoms vereinbart wurde. Dennoch ist hierzulande bisher nur ein Fall dokumentiert, der zu einer Verurteilung geführt hat. Die SPÖ brachte im Februar 2023 einen Gesetzesentwurf ein, der Stealthing als neuen Straftatbestand im Strafgesetzbuch verankern sollte, dieser wurde jedoch nicht umgesetzt. Am 8. März fand eine Gerichtsverhandlung wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung statt. Der Angeklagte hatte das Kondom ohne Einverständnis seiner Partnerin entfernt. Am Ende der Verhandlung wurde der Mann zwar verwarnt, aber dennoch freigesprochen, da sein Wort gegen das der klagenden Frau stand.

Mögliche Beweggründe

Die möglichen Hintergründe des Trends lassen sich nur schwer erklären. Gründe dafür könnten sein, dass viele Männer in etlichen Umfragen angeben, dass sie Sex ohne Kondom bevorzugen. Das könnte ein möglicher Beweggrund für Stealthing darstellen. Bei manchen ist es jedoch auch ein psychologischer Faktor: Den Sexualpartner mit dem Abstreifen des Kondoms zu demütigen, kann vermutlich bei manchen einen besonderen Reiz auslösen und könnte damit im Zusammenhang mit dem Trend stehen. Eine in der Fachzeitschrift Health Psychology veröffentlichte Studie legt nahe, dass Männer, die Frauen gegenüber feindselig und sexuell aggressiv denken und handeln, eher zum Stealthing neigen. Stealthing könnte daher als Warnzeichen für Aggressivität in der Partnerschaft und weitere zukünftige Gewalt dienen.

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